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Kann man Stahl und Beton klimaneutral herstellen?

Autorenbild: Maik MartenMaik Marten



Bislang ist der Energiesektor mit einem Drittel Gesamtanteil der größte Emittent von Treibhausgasen. Aber damit noch nicht genug, denn auch in allen anderen Sektoren ist es wiederum die Energienutzung, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Emission ausübt. Dies wird deutlich, wenn man sich die einzelnen Sektoren genauer anschaut. Neben der Energiewirtschaft wären da die Sektoren Industrie, Verkehr, Gebäude, Landschaft sowie Abfallwirtschaft. Fallen allein auf die Energiewirtschaft 32 Prozent der Treibhausemissionen, sind es im Bereich Industrie 24 Prozent, im Verkehr 19 Prozent, im Gebäudewesen 15 Prozent, in der Landwirtschaft immerhin noch 8 Prozent und ein restliches Prozent in der Abfallwirtschaft und allen übrigen Wirtschaftsbereichen.[1] Dabei folgen die Angaben dem Quellprinzip, das heißt die Zahlen spiegeln wider, in welchen Bereichen die Emissionen konkret entstehen. So wird beispielsweise die Emission, die bei der Stromerzeugung in einem Kohlekraftwerk verursacht wird, der Energiewirtschaft zugerechnet, während die Verbrennung von Diesel oder Benzin dem Verkehr angelastet wird. Durch die Aufteilung in Sektoren lassen sich konkretere Maßnahmen zur Senkung von Emissionen in den einzelnen Bereichen ableiten. Wichtig ist dabei jedoch zu beachten, dass die Hauptursache für die Emission von Treibhausgasen die Verbrennung von fossilen Energieträgern ist. Ganze 85 Prozent tragen sie über alle Sektoren zusammengerechnet zum Treibhauseffekt bei. Dies zeigt, wie wichtig es nicht nur für die unmittelbare Energiewirtschaft, sondern für alle anderen Bereichen ist, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien möglichst rasch gelingt. Oder anders ausgedrückt, würde es Deutschland schaffen, die Wirtschaft gänzlich auf erneuerbare Energien umzustellen, hätte man einen Großteil des Problems gelöst. Aber schauen wir dazu etwas genauer auf die einzelnen Sektoren.


Beginnen wir mit der Industrie. Darunter fallen das Verarbeitende Gewerbe, die Herstellung mineralischer Produkte und Metalle, die Chemische Industrie sowie – als Sammelbecken – alle übrigen industriellen Prozesse und Produktverwendungen. Etwa zwei Drittel der durch die Industrie verursachten Emissionen sind laut dem Bundesministerium für Wirtschaft „auf die Energiebereitstellung […] zurückzuführen (Industriefeuerung im verarbeitenden Gewerbe),“[2] der Rest ist prozessbedingt, entsteht also als Abfallprodukt während des Herstellungsprozesses der jeweiligen Stoffe. Interessanter Weise sind es vor allem die drei Produkte Eisen, Stahl und Zement, die für den Großteil der Emissionen verantwortlich sind. Eisen ist ein Ausgangsstoff der Stahlindustrie, Zement wird wiederum zusammen mit Sand, Kies und Wasser für die Herstellung von Beton benötigt. Beides sind unverzichtbare Materialien im Bauwesen. Also verlassen wir wieder die Ebene der Industrie und tauchen noch etwas tiefer zu deren wichtigsten Ausgangsmaterialien ab.



Herausforderung klimaneutraler Beton


Von Zement werden jedes Jahr in Deutschland 27,5 Millionen Tonnen verbraucht. Etwa ein Drittel wird allein für den Wohnungsbau benötigt. Den Rest teilen sich in absteigender Größenordnung der private und öffentliche Bau, wozu unter anderem Geschäftsgebäude, Schulen, Universitäten, Kulturstätten, Verwaltungs- und Regierungsgebäude zählen und der Tiefbau; also der Bau von Straßen, Brücken, Eisenbahn- und Versorgungsnetzen, der Kanalisation etc.[3] Bei jeder einzelnen produzierten Tonne fallen knapp 600 Kilogramm CO2 an. Das sind rund 16 Millionen Tonnen pro Jahr.[4] Damit trägt nur allein der Baustoff Zement zu rund 2 Prozent der gesamten Treibhausgasemission in Deutschland bei, weltweit sollen es sogar ganze 8 Prozent sein (Die Zahlenangaben schwanken je nach Quelle zwischen 2 und 3 Prozent für Deutschland und 7 bis 8 Prozent weltweit). Die Gründe für diesen erstaunlich hohen Wert liegen im Herstellungsprozess. Um Zement zu produzieren, wird aus Tagebauen gewonnener Kalkstein zusammen mit weiteren Zusatzstoffen in speziellen Öfen bei sehr hohen Temperaturen von über 1.450 Grad Celsius gebrannt, wofür hauptsächlich fossile Energieträger verwendet werden. Dies allein trägt bereits zu ungefähr der Hälfte des CO2-Ausstoßes bei. Die restliche Emissionen sind verfahrensbedingt und damit leider wesentlich schwieriger in den Griff zu bekommen. Den Herstellungsprozess von Zement nennt man Entsäuerung. Durch das starke Erhitzen wird Kohlendioxid aus dem Kalkstein herausgebrannt. Erst dadurch entsteht Zement mit seinen für die weitere Verarbeitung und Nutzung gewünschten Eigenschaften. In der Materialforschung versucht man den Anteil an Kalkstein zu reduzieren. Einige Erfolge konnte man mit den Substituten Hüttensand und Flugasche erzielen. Jedoch werden diese Reststoffe aus anderen Industrieproduktionen gewonnen, die nur geringe Mengen der Stoffe zur Verfügung stellen können.[5] Vielversprechender erscheint da die Verwendung von Ton.[6] Davon gibt es beinahe unermesslich große Vorkommen auf der Welt. Inwieweit er als Ersatzstoff tauglich ist, wird aktuell sehr intensiv erforscht und getestet. Denn erst wenn die bauphysischen Eigenschaften des daraus gewonnenen Zements eine vergleichbare Güte aufweisen, kommt die weitere Verwendung im großen Maßstab in Betracht. Eine Beimischung von Ton hätte übrigens auch den Vorteil, mit geringeren Prozesstemperaturen arbeiten zu können. So kann Ton bereits bei 800 Grad Celsius gebrannt werden. Damit ließen sich also prozessbedingte und energetische Treibhausgasemissionen reduzieren. Ebenso experimentiert man mit verschiedenen Ziegelmehlen, die aus Mauerwerkbruch hergestellt werden können. Auf diese Weise könnten zumindest im kleinen Umfang alte Bauprodukte recycelt werden, was einen doppelten positiven Effekt auf die Klimabilanz mit sich brächte.


Aber auch wenn sich die verschiedenen Ansätze als tauglich erweisen sollten, wird sich die Emission von CO2 bei der Herstellung von Beton nicht ganz vermeiden lassen. Vermutlich wird es daher in Zukunft darauf hinauslaufen, dass man das direkt beim Herstellungsprozess entstehende Treibhausgas auffängt, ableitet und an geeigneter Stelle deponiert.



Herausforderung klimaneutraler Stahl


Mit 43 Millionen Tonnen pro Jahr ist Deutschland der größte Stahlproduzent in der Europäischen Union.[7] Ganz ähnlich wie bei der Herstellung von Zement entsteht CO2 zum einen indirekt durch den Einsatz von fossilen Energieträgern und zum anderen als direktes Abfallprodukt im eigentlichen Herstellungsprozess. Das Verhältnis zwischen produzierter Tonne Stahl und der Emission von CO2 ist hier noch einmal deutlich ungünstiger als bei Zement. Je nachdem, welches Herstellungsverfahren gewählt wird und wie hoch die Recyclingquote ist, werden zwischen knapp einer bis zu zwei Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente je Tonne Stahl emittiert. Die Produktion ist in Deutschland und vielen weiteren westlichen Industrieländern leicht rückläufig. In anderen Teilen der Welt, allen voran China und Indien, steigt sie jedoch an. Wie schon beim Beton ist auch hier das Baugewerbe der Hauptabnehmer. Rund ein Drittel des erzeugten Stahls werden in Deutschland im Baugewerbe eingesetzt; ein Viertel fließt in den Automobilbau und etwa noch einmal so viel in den Maschinenbau und das übrige Metallgewerbe.


Stahl wird entweder im Hochofen oder im Lichtbogenofen hergestellt. Beim ersten Verfahren wird zunächst Eisenerz mit Hilfe von Kohle (in Form von Koks) bei Temperaturen von etwa 2000°C zum schmelzen gebracht. Anschließend wird über eine Lanze unter sehr hohem Druck Sauerstoff in das Gemisch eingeblasen. Dabei entsteht in großen Mengen Kohlenstoffdioxid sowie weitere Oxide, die über den Abgaskamin in die Umgebungsluft entweichen.

Deutlich weniger Emissionen könnte das Lichtbogenverfahren verursachen, denn hierbei wird der Stahl mit Hilfe von Strom geschmolzen. Sofern dieser Strom aus erneuerbaren Energien stammt, fallen entsprechend weniger Emissionen an. Zwar gibt es auch bei diesem Verfahren prozessbedingte Emissionen, diese sind aber erheblich geringer. Zudem lässt sich aufgrund der deutlich höheren Temperaturen von bis zu 3.500 °C mehr Altstahl bzw. Stahlschrott verwertet als beim Hochofenverfahren. In Hochöfen sind prozessbedingt die Ausgangsmaterialien Eisenerz und Koks unerlässlich. Nur etwa 20 Prozent macht Stahlschrott an den gesamten Ausgangsmaterialien aus.


Ein großer Vorteil von Stahl ist seine Recyclefähigkeit. Theoretisch lässt er sich ewig neu recyceln, solange darauf geachtet wird, dass er innerhalb des Kreislaufs nicht mit anderen Stoffen kontaminiert wird. Ungefähr die Hälfte der weltweit jährlich produzierten rund 2000 Mio. t stammen bereits aus Stahlschrott.[8] Damit ist Stahl auch das meistrecycelte Material in der Industrie. Man schätzt, dass durch die Wiederverwendung im Vergleich zur Primärgewinnung fast Dreiviertel weniger Energie benötigt wird. Ganz auf Eisenerz verzichten wird man allerdings auch zukünftig nicht, insbesondere da, wo bestimmte Güten und Reinheitsklassen erreicht werden müssen. Um vollkommen klimaneutral werden zu können, muss daher, wie schon bei der Zementherstellung, auf die Doppelstrategie Erneuerbare Energien und CO2-Abscheidung (Direct Air Capture) gesetzt werden.



 

Quellen/Literatur:

[1] Broschüre Klimaschutz nach Sektoren 2022, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima

[2] Broschüre Klimaschutz nach Sektoren 2022, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima

[3] https://www.bund-berlin.de/service/meldungen/detail/news/beton-in-zahlen/

[4] https://www.bund-berlin.de/service/meldungen/detail/news/beton-in-zahlen/

[5] https://www.baunetzwissen.de/beton/tipps/forschung/zement-aus-kalziniertem-ton-7574731

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Zement#Zusammensetzung

[7] https://www.deutschlandfunk.de/daten-und-fakten-stahl-in-deutschland-100.html

[8] Fakten Metallrecycling, EuRIC AISBL - Recycling: Bridging Circular Economy & Climate Policy

 
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