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Inspire Me!

Aktualisiert: 22. März 2023


"Wenn wir wollen, dass etwas Bestand hat, sorgen wir für Schönheit, nicht für Effizienz." (Nicolás Gómez Dávila)




In den vorangegangenen Kapiteln habe ich geschildert, weshalb Innovationsarbeit so wichtig ist und wie wir unsere Arbeitskultur und Arbeitsräume von ihr ausgehend gestalten sollten. Manchmal wirkt es jedoch fast wie ein drohendes Urteil, ein Damoklesschwert, das ewig über unseren Köpfen schwebt, das einen mit Sicherheit trifft, wenn man nicht alles dafür tut, seine Innovationsfähigkeit zu erhöhen. Wehe dem, der sich nicht ordentlich anstrengt, der nur im Hier und Jetzt verweilt und nicht immerzu an morgen denkt. Hinter dem Zwang zur Innovation steckt womöglich mehr, als wir uns eingestehen wollen, mehr als die Sorge, eines Tages von der Konkurrenz weggespült zu werden. "Das Paradies ist da, wo ich bin", schrieb der französische Philosoph Voltaire. Seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert sind wir dazu verdammt, unser Glück im Diesseits zu finden. Weil da kein Gott mehr ist, der über mich wacht, dessen Gnade mich, wenn nicht im Diesseits, so doch wenigstens im Jenseits ereilt, bin ich auf mich allein gestellt. Nur ich selbst kann mich retten, im Hier und Jetzt. Ich bin für mein Glück selbst verantwortlich, also auch für mein eigenes Scheitern. Das Streben nach Glück wird zu einem Imperativ, zu einem Dogma, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Wer scheitert, aufgibt oder nicht mitmachen will, ist selbst schuld. Scheitern ist das große Tabu der modernen Gesellschaft geworden, bedauert der amerikanische Soziologe Richard Sennett[1]. Der Journalist Daniel Schreiber fügt hinzu: "In einer Gesellschaft, die Erfolg verehrt, ist kaum etwas beunruhigender als die Aussicht, eine Karriere zu verfehlen, ganz zu schweigen von den persönlichen, sozialen und finanziellen Schwierigkeiten, die das mit sich bringt."[2] Die Amerikaner haben das Streben nach Glück the pursuit of happiness, sogar in ihre Unanbhängigkeitserklärung aufgenommen. Streben ist eine Bewegung, ein Verfolgen, ein Hinterherjagen. In dieser Logik verheißt technologischer Fortschritt die Verbesserung der gegenwärtigen Zustände. So wird die Zukunft zum Gegenstand aller Hoffnung. Ein Mechanismus, der uns permanent antreibt, und niemals wirklich zufriedenstellt. Denn egal, was wir erreicht haben, an welchem Punkt wir angelangt sind: es gibt immer noch etwas mehr zu erreichen; mehr materielle Güter anzuhäufen, mehr Zufriedenheit und Glück zu empfinden.


Dabei gibt es sie: die Andersdenkenden, die Zufriedenen und Glücklichen, die das Glück im Jetzt suchen; die die Antwort auf Frithjof Bergmanns Frage was sie wirklich, wirklich wollen, für sich gefunden haben. Ständig gefordert zu sein, etwas Neues zu erschaffen, strengt ja auch gewaltig an. Der Erwartungsdruck, dem wir ausgesetzt sind, von Arbeitgebern, Investoren, Kunden und Kollegen, vielleicht vor allem von uns selbst, ist enorm. Verständlich, dass sich viele diesen Zwängen entziehen wollen.

Mit der Überwindung der materiellen Not nach dem Zweiten Weltkrieg und den ersten Nachkriegsjahren wuchs in den meisten (zumindest westlichen) Ländern die wirtschaftliche und physische Sicherheit. Dies löste in breiten Schichten der Gesellschaft einen tiefgreifenden kulturellen Wandel aus, der Wiederrum eine Verschiebung von materiellen zu postmateriellen Werten bedingte.[3] Lagen zuvor die Prioritäten auf wirtschaftlicher und physischer Sicherheit und die Erhaltung von Gruppennormen, rückten nach und nach postmaterialistische Werte wie individuelle Freiheit, Selbstverwirklichung, Selbstdarstellung, Offenheit und Kreativität in den Vordergrund. Dieser gesellschaftliche Transformationsprozess, der in den frühen 1960er Jahren seinen Anfang nahm, hält bis in die Gegenwart an. Dies zeigen auch die Ergebnisse des Deutschen Start-up Monitors 2018 des Bundesverbandes Deutsche Start-ups e.V.. Demnach gibt ein Drittel aller befragten Gründer an, dass sie sich den Bereichen Green Economy oder Social Entrepreneurship zuordnen.[4] Auch in diesen Branchen spielt Innovation eine Rolle. Allerdings versucht man, die Spielregeln zu modifizieren, um ein nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen und die Erträge des Unternehmens einem größeren gesellschaftlichen Nutzen zuzuführen.

Manchmal geht es auch einfach nur um die pure Freude am Leben und Arbeiten. Für diese Menschen werden Arbeitsräume zu Lebensräumen, in denen sie ihre gewandelten Werte ausleben können. Statt in nüchternen, eintönigen, gar hässlichen Büros sein Dasein zu fristen, wollen sie angenehme, inspirierende Arbeitswelten, die sie mit Gleichgesinnten teilen können. Es geht um Gemeinschaft, und das gemeinsame Gestalten einer besseren Zukunft. Ein einladendes Bürodesign vermittelt, dass es nicht nur ums Geldverdienen geht, sondern, dass Mitarbeiter wertgeschätzt werden, für das was sie tun, für das was sie sind. Eine höhere Aufenthaltsqualität bringt nicht nur den Mitarbeitern Wertschätzung entgegen, sondern auch der Arbeit als solche.


 

Auszug aus dem Sachbuch: VON ALTEN UND NEUEN BÜROWELTEN - Wie das Büro zu einem Ort kreativer Zusammenarbeit wird


Autor:

Maik Marten


als eBook u.a. bei:



als Soft Cover:

ISBN 978-3754128268

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Literatur / Quellen:

[1] Richard Sennett, Der flexible Mensch - Die Kultur des neuen Kapitalismus, New York 1998, S. 159

[2] Daniel Schreiber, Nüchtern - Über das Trinken und das Glück, 2014, S. 118

[3] Ronald F. Inglehart, Cultural Evolution People' Motivations are Changing, and Reshaping the World, 2018, S. 3

[4] Stefanie Hutschenreuter, Start-ups, die die Welt verbessern, Artikel aus dem Themenheft New Work - Die Zukunft der Arbeit der Frankfurter Allgemeinen, S. 13







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