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AutorenbildMaik Marten

Arbeiten und reisen wir bald nur noch an sonnigen, windigen Tagen?

Aktualisiert: 4. Apr. 2023



Bislang betrug der Anteil der Sonnen- und Windenergie zusammengerechnet lediglich rund 5 Prozent am Gesamtenergiebedarf. Insofern war es in der Vergangenheit auch unproblematisch, das Auf-und-Ab der Stromproduktion durch Kraftwerke, die mit Hilfe fossiler Energiequellen oder durch Kernkraft Strom erzeugen, auszugleichen. Wie das allerdings in der Zukunft funktionieren soll, wenn gänzlich auf fossile Energieträger verzichtet werden muss und das letzte deutsche Kernkraftwerk im Frühling 2023 vom Netz geht, wird zu einem der zentralsten Problemstellungen der Energiewende.

Theoretisch gibt es immerhin mehrere Lösungsmöglichkeiten. Da wäre zunächst die Erwägung, ein transnationales Versorgungsnetz aufzubauen, das es ermöglichen würde, Ökostrom auch aus weit entfernten Regionen, beispielsweise aus Südeuropa, Afrika oder den europäischen Nordseeküsten nach Deutschland zu leiten. Die Idee dahinter ist, dass sich Schwankungen innerhalb großer Gebiete besser ausgleichen lassen als in kleineren, denn irgendwo in Europa oder den benachbarten Kontinenten wird immer die Sonne scheinen oder der Wind wehen. Theoretisch klingt das gut, aber praktisch wird es aus technischen, logistischen und finanziellen Gründen sehr schwierig. Denn abgesehen davon, dass zunächst einmal ausreichend große Kapazitäten an erneuerbaren Energiequellen im Ausland aufgebaut werden müssten, bräuchte es Tausende von Kilometern unter- und oberirdischer Stromleitungen, Masten und Relaystationen. Ein derartiges Projekt, beispielsweise von der Sahara über Algerien, Marokko, die Straße von Gibraltar, Spanien und Frankreich, würde mindestens 1.000 Millarden Euro kosten.[1] Abgesehen davon müsste vermutlich sehr viel politische Überzeugungsarbeit geleistet werden, um die Menschen in den betreffenden Ländern an den Gedanken zu gewöhnen, dass zukünftig über ihre Grundstücke, Häuser und Landschaften jede Menge Stromkabel verlaufen werden, die dazu bestimmt sind, ihren deutschen Nachbarn weiterhin ein Leben im Wohlstand zu ermöglichen.


Eine andere Idee ist es, die Nachfrage einfach an das schwankende Angebot anzupassen. Besonders energieintensive Prozesse in der Produktion könnten beispielsweise immer dann auf Hochtouren laufen, wenn Strom im ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Umgekehrt würde man die Produktion herunterfahren oder ganz pausieren, wenn der Energiestrom versiegte. Und wenn wir schon dabei sind: Warum nicht auch Arbeit, Freizeit und Konsum stärker an die Verfügbarkeit von Strom koppeln? Immerhin verbrauchen wir einen Großteil an Energie tagtäglich durch energieintensive Aktivitäten. Die technische Umsetzung dürfte zumindest in einigen Bereich keine besonders große Hürde darstellen. So könnten beispielsweise die Preise der Ladestationen von E-Autos in Echtzeit an die Kapazität der Energieversorgung gekoppelt werden. Autos, die die meiste Zeit des Tages und der Nacht an der Steckdose angeschlossen sind, könnten immer dann Strom ziehen, wenn die Preise gerade besonders günstig sind. Stromversorger könnten Unterschiede zwischen Sommer- und Winterstrom machen.


Aber all diese Maßnahmen werden nicht ausreichen, um die Schwankungen in der Energiegewinnung aufzufangen. Daher wird die Entwicklung der Speichertechnologie entscheidend dafür sein, ob uns die Energiewende gelingen wird. Experten schätzen, dass der Bedarf an Speichern durch den Ausbau von erneuerbaren Energien im Vergleich zu heute um den Faktor 1000 steigen könnte.[2] Dieses Verhältnis führt uns deutlich vor Augen, wie sehr wir unsere Wirtschaft auf den Vorteil der bisherigen, fossilen Energieträger aufgebaut haben. Erdöl, -gas und Kohle sind ja nichts anderes als gespeicherte, chemische Energie, die wir immer dann verwerten können, wenn sie gerade benötigt wird. Auf sie verzichten zu müssen, bedeutet, nach neuen Alternativen der Energiespeicherung und Bereitstellung Ausschau zu halten. Es lohnt daher ein Blick auf den derzeitigen Stand der Speichertechnik.



Weiter geht es im Artikel: "Die Archillesferse der Energiewende"


 

Literatur / Quellen:

[1] Ulrike Herrmann, Das Ende des Kapitalismus – Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden, Kiepenheuer & Witsch, 2022, Kap.: 11. Leider nicht verlässlich: Sonne und Wind

[2] Volker und Cornelia Quatschning, Energierevolution jetzt!, Kap.: Ist Wasserstoff Lösung oder Irrweg

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